Meine lieben Freunde,
sehr lange habe ich nichts mehr geschrieben, denn in meinem irdischen Leben war sehr viel los – an sich mehr als genug, um daraus zig Artikel zu machen.
Ich konnte nicht über meine Erlebnisse schreiben, weil es mir zu weh tat.
Ja, meine Freunde, obwohl ich mit der geistigen Welt spreche, meditiere und in mich kehre, bin ich doch noch ein Mensch, mit ganz menschlichen Gefühlen und Emotionen, auch wenn es ja gerade diese sind, die wir lernen zu erkennen und aufzulösen.
Wie wir wissen sind Emotionen das Produkt unserer Gedanken, nicht unserer Gefühle. Gehen wir also in die Stille finden wir den Raum ohne Trauer, ohne Angst, den Raum des Friedens und der bedingungslosen Liebe.
Auch ich finde diesen Raum immer wieder. Aber ich verlasse ihn auch immer wieder, denn innerhalb dieser Stille gibt es keine Bedürfnisse, keine Verpflichtungen. In der Welt aber gibt es diese.
Wir leben in der Welt, wir leben in Beziehungen, Berufen, haben Kinder, zahlen Häuser ab… die Kinder wollen gefüttert und bespielt werden, das Geld wächst – zumindest noch nicht – auf den Bäumen, im Beruf gehen wir mit Kollegen um, Vorgesetzten, unsere Partner sind manchmal auf ganz anderen Wegen als wir selbst.
Und dennoch haben wir den Weg der Erkenntnis und der Entwicklung eingeschlagen, dennoch beobachten wir uns, hinterfragen unsere Reaktion und häufig auch unsere Aktionen, erinnern uns an unsere Kindheit, die Zeit vorher, die Zeit in anderen Inkarnationen.
Im Grunde sind die meisten von uns seit mindestens einem Jahrzehnt mit dem Thema „Loslassen“ beschäftigt.
Wenn das mal so einfach wäre.
Meine Mutter ist Ende Januar gestorben und ich möchte Euch gerne davon erzählen.
Mit meiner Mutter war das so eine Sache, sie konnte verletzend sein und störrisch, unnachgiebig und kalt wie Eis. Aber in ihr brannte eine tiefe Sehnsucht, eine Sehnsucht danach geliebt zu werden, so sehr, dass es ihr weh tat, so sehr, dass sie anderen weh tat und so sehr, dass sie oft gar nicht bemerkte, dass sie geliebt wurde.
Liebe muss man auch hinnehmen und annehmen können.
Mit meiner Mutter hatte ich seit 25 Jahren, seit dem Tod meines Vaters, permanent Kampf.
Ich konnte es ihr in nichts recht machen, es war alles „falsch“.
Nicht nur meine „ganze Art“, mein Denken, meine Beziehung, meine Form Kindererziehung etc gingen ihr auf den Geist, nein, last, not least ging ihr vor allem meine Form der Spiritualität gegen den Strich. Als ich vor 17 Jahren aus der Kirche austrat war das für sie wie eine persönliche Beleidigung, als ich ihr erklärte, dass ich austrat, eben weil ich an Gott glaubte, eben weil ich glaubte, Gott nicht in der Kirche zu finden, sondern in mir, hat sie das nicht verstehen können.
Aber bei allen Streitereien, die wir hatten, trotz jedem Mal, wenn sie mir sagte „Ich liebe Dich eben nicht“ oder „ich habe so versucht, Dich zu lieben, ich hab es so versucht…“ und kopfschüttelnd das Zimmer verließ, hat sie sich immer mit mir auseinander gesetzt.
Ich habe in den letzten 10 Jahren massiv versucht, ihr zu erklären, was ich da für Seminare gebe, weshalb ich meditiere und dass die Wirklichkeit kein strafender Gott sein kann.
Meine Mutter war in den letzten Jahren schwer krank, es gab niemanden außer mir, der sie pflegte, der ihr Essen brachte. Ich glaube, das hat sie am meisten gestört, dass ausgerechnet ich sie pflegte – und dass ich darüber nicht stöhnte, mich nicht ärgerte, sondern immer wieder mit ihr darüber sprach, sie ganz bei mir aufzunehmen.
Mich haben die jahrzehnte langen Zurückweisungen sehr geprägt und mich sehr verletzt. Dennoch bin ich immer wieder auf sie zugegangen.
Was ich damals nicht verstehen konnte waren ihre Gründe, so mit mir umzugehen. Und jetzt,mit dem Wissen von heute muss der Satz anders lauten. : *Sie ist trotz ihrer Angst, trotz ihrer Wut auf sich selbst, immer wieder auf mich zugegangen*
Meine Mutter erlitt am 10.1.2010 ein akutes Nierenversagen und sank für 7 Tage ins Koma.
Sie erwachte noch einmal – aber sie war verwirrt.
Und was ich nicht verstand in dem Moment war, dass sie die Welt nun durch andere Augen sah. Ich machte mir Sorgen, ich glaubte, sie würde es doch überleben, ich musste ihre Wohnung kündigen und organisierte alles so, dass sie zu mir kommen konnte.
Ich erzählte es ihr, doch sie hatte alles vergessen, sie wusste weder wo sie war, noch was ich ihr da sagte. Sie erkannte nur mich als ihre Tochter.
An einem Tag, das war schon kurz vor ihrem Tod, da sah sie mich an und erschrak. Sie sah mich und sagte: „Ja, Kind, bist Du denn jetzt katholisch? Bist Du der Papst?“
Ich nahm ihre Hand und antwortete: Aber nein, wie kommst Du denn darauf?
Und sie sagte: Dein Kopf, Du trägst doch den weißen Hut vom Papst.
Sie fasste mir sogar auf den Kopf, weil sie nicht glauben konnte, dass ich ohne Kopfbedeckung bei ihr war.
Meine Haare sind dunkelbraun.
Ich habe es nicht verstanden in dem Moment, ich habe nicht verstanden, dass sie nicht mehr meinen Körper sah.
Und dann verabschiedete ich mich eines Tages, versprach ihr, wenn sie jetzt etwas schliefe da zu sein, wenn sie erwachen würde und ging.
Am nächsten Morgen rief das Krankenhaus an und teilte mir ihren Tod mit.
Meine Mama und ich hatten 16 Tage miteinander. 16 Tage in denen sie endlich keine Angst mehr hatte, in denen sie nicht mehr denken konnte und weder Wut, noch Angst, noch Trauer hatte, sondern sich freute.
Ich habe nach ihrem Sterben Tagebücher von ihr gefunden und mit ihren besten Freundinnen gesprochen, die mir in kurzen Sequenzen fehlende Puzzlestücke erzählten, die nun ein ganz neues Licht werfen.
Ich vermisse sie sehr, ich weine auch um sie, wenn ich nicht gerade in der Stille und so im Frieden bin, wünschte ich, wir hätten etwas mehr gehabt als diese letzten 16 Tage.
Ich predige ja schon seit Jahren, dass jeder Mensch immer für alle seine Handlungen eine Motivation hat, dass jeder Mensch glaubt „richtig“ zu handeln und wenn man das nicht mehr glaubt, dann gibt man sehr leicht den Umständen oder anderen Menschen die Schuld, denn dann muss man sein Handeln so begründen, dass es wenigstens richtig wirkt, wenn es schon nicht richtig ist…
Jeder von uns, meine lieben Brüder und Schwestern, hat Schmerz, Angst, Wut, Hilflosigkeit und Verzweiflung in sich. Aber auch Liebe, Hingabe, Vertrauen, Gnade und Güte.
Seid nicht verzweifelt, wenn ihr es einmal nicht schafft, milde lächelnd in Eurer Mitte zu bleiben, wenn ihr doch verletzt seid.
Ich habe in den letzten Wochen gelernt, dass ich traurig sein darf – auch wenn es tatsächlich Leute um mich gab und gibt, die mir gesagt haben „Aber Du bist doch weit… Du weißt doch, wo sie jetzt ist, Du musst doch nicht traurig sein…“
Ganz ehrlich, ich darf traurig sein, wenn meine Mutter stirbt.
Ich habe gelernt, dass ich wütend sein darf. Auf sie, weil sie mich so verletzte, auf mich, weil ich bei ihr nicht ihre Verletzung erkannte, auf die Umstände, den Zeitpunkt und sogar auf die Entscheidung von oben.
Ich darf das zulassen, annehmen und durchleben – und Kissen an die Wand werfen.
Ich darf Angst haben und mich alleine fühlen – und wieder zurückfinden in die Geborgenheit und Sicherheit dessen, was ist.
Ich darf mich schämen für den Mist, den ich gebaut habe, für teilweise völlig bescheuerte Entscheidungen, die ich getroffen habe und für unsinnige Rückschlüsse.
Und dann darf ich mich erinnern, wer ich wirklich bin, mich umdrehen, neue Entscheidungen treffen und Änderungen vornehmen.
Wir dürfen auch Menschen sein. Es geht meiner Ansicht nach nicht darum, Gott zu spielen, sondern das Göttliche im irdischen zu manifestieren. Dazu gehören irdische Emotionen, von denen wir uns nicht beherrschen lassen, sondern die wir beherrschen.
Dann haben wir eben mal Angst, sind wütend, traurig, grummeln, nachtragend, verzweifelt oder am weinen…
Und dann finden wir zurück in die Mitte, die Stille, die bedingungslose Liebe und verstehen, dass wir auch mit diesen Emotionen geliebt sind.
Es ist ein Irrglaube, dass spirituelle Menschen entrückt auf Sofakissen knien, lächeln und nie wieder krank werden.
Die Wahrheit aber ist, dass spirituelle Menschen sich annehmen, wie sie sind und wenn sie es mal vergessen, sich selbst genauso in den Allerwertesten treten dürfen, wie der Rest der Menschheit auch – und sich dann wieder annehmen.
Ich habe heute etwas konfus geschrieben, aber ich glaube, es ist deutlich geworden, was ich schreiben wollte.
In Liebe, Lichtwege